LC-Sprinterin sichert sich in sagenhaften 7,07 Sekunden den DM-Titel über 60 Meter und Rang vier in der ewigen deutschen Bestenliste
Leipzig/Paderborn. Tatjana Pinto konnte es selbst kaum glauben. Die Sprinterin vom LC Paderborn schlug nach dem Zieldurchlauf die Hände vors Gesicht. Erste Tränchen kullerten. In unglaublichen 7,07 Sekunden hatte die 23-Jährige bei der 63. Deutschen Hallenmeisterschaft in Leipzig soeben den Titel über 60 Meter geholt und damit deutsche Leichtathletik-Geschichte geschrieben. Denn in der ewigen deutschen Bestenliste schob sich Pinto, die mit einer Bestzeit von 7,23 Sekunden zu den Titelkämpfen gereist war, damit auf Rang vier. 3.500 Zuschauer in der ausverkauften Arena Leipzig waren aus dem Häuschen.
15 Monate lang hatte Pinto aus privaten Gründen keinen Wettkampf bestritten. Vor zwei Wochen feierte sie dann bei einem Hallenmeeting in Belgien in 7,29 Sekunden ein sehenswertes Comeback über 60 Meter. Doch was dann in Leipzig folgte, überraschte (fast) alle. „Ich habe in meinen kühnsten Träumen nicht damit gerechnet. Ich bin überwältigt“, sagte Pinto, die von der LG Brillux Münster zum LC Paderborn gewechselt war. Denn beim LC arbeitet ihr Coach Thomas Prange, dem sie am Samstag ein dickes Lob zollte. „Mein Trainer hat den größten Anteil an diesem Erfolg“, betonte Pinto, die in dieser Hallenssaison eigentlich keinen Wettkampf bestreiten wollte. „Doch als das Training besser lief als gedacht, haben wir uns für einen Start entschieden“, erklärte die neue deutsche Meisterin.
Angesichts der Trainingsleistungen hatte Thomas Prange geahnt, dass in Leipzig etwas Besonderes möglich ist. „Thomas hatte mir vorher gesagt, dass Tatjana unter 7,10 laufen kann. Ich habe nur gedacht, du bist doch bekloppt“, schmunzelte der LC-Vorsitzende Ulrich Woischner, der die Leistung seines Neuzugangs mit den Adjektiven „unfassbar“ und „sagenhaft“ kommentierte. „Und es ist ein Indiz dafür, dass sich Tatjana in unserer Trainingsgruppe offenbar pudelwohl fühlt“, so Woischner.
Eben jene Trainingsgruppe bildete im A-Finale die Hälfte des Starterfeldes. Denn außer Pinto hatten sich auch die LC-Athletinnen Chantal Butzek und Janina Kölsch sowie die Paderbornerin Inna Weit, die nun für Düsseldorf startet, für den Endlauf qualifiziert. „In meinen Träumen hatte ich mir so etwas erhofft“, sagte Trainer Prange, dessen positive Vorahnungen schon im Vorlauf bestätigt wurden. Da nämlich lief Pinto leicht und locker in 7,19 Sekunden ins Ziel. Es folgten 7,12 Sekunden im Zwischenlauf. Topfavoritin Rebekka Haase (LV Erzgebirge) war sichtlich beeindruckt und im Finale in 7,20 Sekunden chancenlos. Pinto aber ist mit ihren 7,07 Sekunden nun die Nummer drei der Weltjahresbestenliste.
Die am Freitag 19 Jahre jung gewordene LC-Sprinterin Chantal Butzek schrammte in 7,30 Sekunden nur um eine Hundertstel an Bronze vorbei. „Chantal war ein wenig enttäuscht, aber ihre Leistungen sind überragend. Sie hat in den vergangenen Wochen starke Rennen auf höchstem Niveau abgeliefert“, lobte Prange die deutsche U20-Meisterin, die auch in Leipzig drei tolle Läufe bot (zwei Mal 7,30 Sekunden, ein Mal 7,28 Sekunden). Zur Belohnung wird Butzek am Dienstag vom Deutschen Leichtathletikverband für die Hallen-Weltmeisterschaft in Portland (17. bis 20. März) nominiert. Auch Tatjana Pinto ist bei der WM dabei. „Das ist eine gute Generalprobe für den Sommer“, so die gebürtige Münsteranerin.
Eine positive Leipzig-Bilanz konnte auch Janina Kölsch ziehen. Die 24-Jährige stellte im Zwischenlauf (7,36) und im Finale (7,35) persönliche Bestmarken auf. Ihre Zeit reichte auf der pfeilschnellen Bahn dennoch „nur“ zu Rang acht. Zwei Plätze vor ihr landete Inna Weit, die in 7,32 Sekunden eine Saisonbestzeit erzielte. „Da war mehr drin“, urteilte ihr Trainer Thomas Prange, der auch über 200 Meter keinen perfekten Lauf seiner Athletin sah. Weit reichten aber 23,64 Sekunden, um hinter Rebekka Haase (23,10) und Lisa Mayer (23,30) Dritte zu werden. „Inna war etwas müde. Aber mit Bronze muss und kann man zufrieden sein“, so Prange. LC-Sprinterin Ina Thimm qualifizierte sich in guten 24,56 Sekunden für die Endläufe, erwischte dort aber die ungünstige Innenbahn und landete in 25,01 Sekunden auf Gesamtrang zehn.
Doch mit der Paderborner 4 x 200-Meter-Staffel gab es ein silbernes Happy-End. In guten 1:35,97 Minuten mussten sich Pinto, Kölsch und Thimm sowie Schlussläuferin Josefina Elsler nur dem TV Wattenscheid (1:35,31) geschlagen geben. „Wir sind zufrieden. Und vor Wattenscheid muss man den Hut ziehen. Die waren einfach gut“, resümierte LC-Coach Prange, der erneut ein fulminantes Rennen von Tatjana Pinto erlebte. Die Paderborner Startläuferin knackte sogar die 23-Sekunden-Marke und wechselte damit vor Inna Weit, die für Düsseldorf an Position eins zum Einsatz kam. Eben jene Düsseldorferinnen verpatzten den letzten Wechsel, so dass Josefina Elsler ein einsames Rennen laufen musste. „Das war nicht optimal“, so Prange. Doch unterm Strich erlebte der LC-Coach ein grandioses Wochenende. Und auch Prange wird bei der Hallen-WM dabei sein. Vielleicht erlebt er dann den nächsten Husarenstreich von Tatjana Pinto.
Text: Frank Beineke (NW)




