Samstag, 18. Mai 2024

Traum von den Paralympics

Viktor Schumacher stößt die Kugel mit einer Beinprothese schon 10,61 Meter weit
Ausgangsposition im Ring: Viktor Schumacher hat erst vor einem Jahr beim LC Paderborn mit dem Kugelstoßen angefangen. Sein linker Unterschenkel musste ihm 2005 wegen eines Krebsleidens amputiert werden. Seitdem trägt er eine Prothese. Fotos: Besim Mazhiqi

Ausgangsposition im Ring: Viktor Schumacher hat erst vor einem Jahr beim LC Paderborn mit dem Kugelstoßen angefangen. Sein linker Unterschenkel musste ihm 2005 wegen eines Krebsleidens amputiert werden. Seitdem trägt er eine Prothese. Fotos: Besim Mazhiqi


Von Matthias Wippermann
 
Paderborn (WB). Krebs: Diese erschreckende Diagnose hat Viktor Schumacher im Januar 2000 erfahren. Ende Oktober 2005 musste ihm sogar der linke Unterschenkel amputiert werden, seitdem trägt er eine Prothese. Trotz seines Handicaps begann er vor etwa einem Jahr mit dem Kugelstoßen und träumt von den Paralympischen Spielen.
Johann Gerok, Kugelstoßer beim LC und Kumpel von Schumacher, machte ihn mit dem ehemaligen Zehnkämpfer Jens Schulze (Deutscher Meister 1986) bekannt. Der Leichtathletiktrainer entschloss sich, Schumacher zu coachen. Das war vor einem Jahr. Seitdem hat der Kugelstoß-Neuling, der ebenfalls für den LC Paderborn antritt, riesige Fortschritte gemacht. Schumacher brachte gute körperliche Voraussetzungen mit, da er regelmäßig Krafttraining gemacht hat. »Ich musste nicht ganz bei Null anfangen, weil er schon kompakt war. Allerdings wusste er gar nichts über die Technik des Kugelstoßens«, erklärt Schulze. Da das linke Bein beim Kugelstoßen als Stemmbein dient, an dem Schumacher die Prothese trägt, muss er viel durch Kraft und Technik wettmachen. Er lernt viel unter seinem Kugelstoß-Trainer. »Jens nimmt sich Zeit und erklärt sehr ruhig. Er führt vieles selbst vor und lässt mich dann durch eigenes Proben üben«, berichtet Schumacher. Viermal die Woche trainieren die beiden im Ahorn-Sportpark.

Als das Duo anfing, stieß Schumacher die Kugel auf eine Weite von etwas mehr als sechs Meter. »Ich habe schnell gewisse Ziele festgelegt, die sieben Meter haben wir ziemlich schnell erreicht«, blickt Schulze zurück. In nur einem Jahr haben sie Schumachers Bestweite um gut vier Meter verbessert, Mittlerweile liegt sie bei 10,61 Meter. Die erreichte er bei den NRW-Meisterschaften im Juni in Ratingen, wo er in der Offenen Klasse Fünfter wurde und in seiner Schadensklasse (44) gewann. Bei den Deutschen Meisterschaften, ebenfalls im Juni in Berlin, belegte er in der Offenen Klasse Platz vier, seine Schadensklasse entschied er auch hier für sich. Schumacher findet Gefallen an großen Wettkämpfen und hat einen großen Traum. »Deutsche Meisterschaften sind gut, aber an Europa- und Weltmeisterschaften teilzunehmen wäre super, die Paralympischen Spiele wären die Krönung. Jeder Sportler setzt sich hohe Ziele, aber erstmal müssen wir die weitere Entwicklung abwarten«, sagt der 30-Jährige, der momentan eine Umschulung zum Verfahrenstechniker bei Benteler macht.

Viktor Schumacher (links) mit seinem Trainer Jens Schulze.

Viktor Schumacher (links) mit seinem Trainer Jens Schulze.

Schumacher, der am 4. November 1982 in Kasachstan geboren wurde, siedelte mit seiner Familie im Alter von zehn Jahren nach Deutschland über – zunächst nach Brilon, 1993 folgte der Umzug nach Paderborn. Mit 16 Jahren rutschte er im Sommer 1999 beim Motocross fahren vom Kick-Starter ab und stieß sich am Anlasser, wodurch eine Wunde am linken Schienbein entstand. Was von Ärzten zunächst als Entzündung diagnostiziert wurde, entpuppte sich Anfang Januar 2000 in der Uniklinik Münster als bösartiger Tumor. Es begannen Chemo-Therapien, die über ein Jahr andauerten und unzählige Operationen. »Es wurde alles versucht, um den Unterschenkel zu erhalten. Ich wurde fünf Jahre lang einmal pro Quartal operiert und nahm Medikamente. Dann entschied ich mich in Absprache mit den Ärzten der Uniklinik Münster zur Amputation«, blickt Schumacher zurück. Das war Ende Oktober 2005, »als Geschenk zu meinem 23. Geburtstag«, wie er es im Nachhinein mit etwas Galgenhumor formuliert.

Den Humor hat sich Schumacher erhalten. Ebenso die Begeisterung für den Sport. Schumacher, der sich mit Jogging- und Crossläufen fit hielt und Kung Fu in der Kampfschule Song betrieb, fing mit Krafttraining an – die Grundlage für das Kugelstoßen. In seiner neuen Sportart hat er sich einige Ziele gesetzt. »Ich will noch dieses Jahr auf einem offiziellen Wettkampf die elf Meter knacken, nächstes Jahr zwölf, wenn es gut läuft, 13.« Und dann gibt es ja noch den Traum von einer EM, WM oder sogar den Paralympics

Quelle: westfalen-blatt.de